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Wellblechente: Kräfte der Federn im Federtopf


ACCM Schwinn U.

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Wie „hart“ sind die Federn im Federtopf?

Unter welchen Kräften stehen die Spannstangen und  unter welchem Druck die Messer?

1hi170.jpg

-Die Härte der Federn:

Eine hintere Feder A 434-2 habe ich hier lose stehen zum Untersuchen. Sie hat Rechtswicklungssinn und ist 170mm lang bei d1=15,2mm Drahtstärke. Ich zähle an ihr N=5 freie Windungen und messe den mittleren Durchmesser d2=Außendurchmesser minus Drahtstärke= 102mm-15,2mm=86,8mm. Mit der gleichen schönen Formel für Schraubenfedern, die ich schon in meinem Beitrag über die  einfache Einstellung von Reibungsdämpfern verwendet hatte, kann ich die Federkonstante D berechnen.

Wieder diese hier: D= G d1^4/( 8 N d2^3).

Die Werte oben und G= 81,5kN/mm^2  Schubmodul für Federstahl ergeben mit dem Taschenrechner  die Federkonstante zu Dhinten= 0,161kN/mm=1610N/cm.

 

Eine vordere Feder mit Linkswicklungssinn, Drahtstärke 14,8mm und d2= 102mm-14,8mm= 87,2mm hatte ich nicht zur Verfügung. Kann aber aus einem Foto ihre größere Windungszahl abschätzen. Ihre Federkonstante ergibt sich mit ca 1200N/cm als deutlich schwächer als die hintere Feder.

 Ob die Formel hier (Problem angelegte Enden mit Anschnitt und wie deshalb die Windungen zählen?) gute Ergebnisse bringt, wollte ich dann durch direkte Messung prüfen lassen. Also die  huntere Feder (und eine andere) ins Labor für Werkstofftechnik  einer Uni geschleppt. Nach mehreren Anläufen und Überredungsversuchen haben sie schließlich mit einer beeindruckenden Apparatur– die A 432-2 wirkt etwas verloren darauf-  tatsächlich meine Feder gedrückt und ein Messprotokoll ausgedruckt.

2appar.jpg

Die schwarze Kennlinie ist für die A 434-2, die rote betrifft keine AZ-Feder, sondern eine noch weichere. Dass 7800N nötig sind für 5cm Kompression bedeutet, dass der direkt gemessene Wert nur 3 Prozent geringer ist als der formelberechnete. Bin begeistert.

3kennl.jpg

Also sind die gerundeten Werte für eine AZ:

 

Die vordere Feder im Federtopf

hat die Federkonstante Dvorn=1200N/cm, die hintere  Dhinten=1600N/cm.

Ein 120kg-Mensch komprimiert die vordere Feder um einen Zentimeter, wenn er sich drauf stellt. Für hinten brauchst du 160kg, um den Zentimeter zu drücken.

Wenn man sich selbst draufstellt, denkt man, die Feder ist völlig unbeeindruckt starr, aber das Gefühl täuscht leider.

 

-Die Kräfte:

Jetzt belaste ich die Ente, ohne es zu übertreiben. Am Auszug der Spannstangen im Vergleich zu hängenden Rädern kann ich die Kompression der Federn im Topf ablesen. Dabei spielen weder die Geometrie des Schwingarms noch Hebelarme eine Rolle.

Erst vorn, bis der Schwingarm an die Puffer am Chassis anschlägt.

Dazu reicht es, dass sich zwei Leute auf die vordere Stoßstange stellen.

Bei meiner 1955er messe ich dann ca 6cm Auszug und noch 14cm Bodenfreiheit unter dem Chassis bei der Vorderachstraverse.

Dann hinten: 2 Leute auf die Rücksitze, dazu einen 30-Liter-Kanister voll Wasser im Kofferraum  und ein Dritter drückt zusätzlich auf die hintere Stoßstange.

Überraschung: Die  Anschlagpuffer im hinteren Radkasten setzen immer noch nicht auf den Schwingarmen auf. Noch diverse Zentimeter Abstand.

Aufschlagen ginge nur mit kräftiger Überladung und zusätzlich rücksichtslosem Fahren über Holperstrecke. Das lasse ich lieber.

Und messe hinten auch ca 6cm Auszug der Spannstangen bei  noch 18cm Bodenfreiheit unter dem Chassis bei der Hinterachstraverse.

All diese Werte gelten für meine Ente. Bei ausgelutschten, anders eingestellten oder gar nicht vorhandenen Anschlägen können die Maße kräftig differieren.

Jetzt kenne ich grob die Maximalkräfte der Federn, auf die Spannstangen und auf die Messer bei stehender vernünftig beladener Ente.

 

Vorn Fvo= 6cm x 1200N/cm= 7200N.

Hinten Fhi=6cm x 1600N/cm= 9600N.

Beim Fahren werden die Kräfte vorn vielleicht unter einer Tonne bleiben, hinten locker über die Tonne weg gehen. Imposant.

 

-Der Druck  auf die Messer:

Die 55er hat noch 4 gleiche Messer an den 4 Schwingarmen, später sind die vorderen und hinteren unterschiedlich.

Die Auflagefläche A der Messer auf die Ösen der Spannstangenenden ist A=Länge x Breite=2mmx19mm=38mm^2.

Daraus ergibt sich der Druck p auf ein hinteres Messer bei stehender beladener Ente zu

P= F/A= 9600N/(38mm^2)=(9600Nx10^6)/(38m^2)=2530bar.

Da die Messerfläche selten gleichmäßig voll aufliegt und beim Fahren größere dynamische Kräfte auftreten, sind Punktbelastungen von Zehntausend bar sicher  realistisch.

Kein Wunder, dass schlechte Repros kurzlebig sein können. Und sogar originale Teile bei fehlendem Fett.

Uli

Bearbeitet von ACCM Schwinn U.
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Klasse Artikel, Uli ! Ich kann gar nicht glauben, was Du für einen Aufwand treibst, um der Federung des AZ die letzten Geheimnisse zu entlocken. Viel Neues gelernt. Auf die potentiell auftretenden Kräfte hätte ich schon gar nicht gewettet .

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Es ist sehr interessant und vor allem ein gutes Gefühl, dass das vorhandene Material dem ursprünglich gewollten Zustand weitgehend entspricht. Auch bei meiner, zwar „nur“ von ˋ75, gehe ich davon aus. Aber wie weit ist der Großteil der vorhandenen, vielleicht „restaurierten“, Fahrzeuge davon entfernt? Wieviel 2CV federn und fahren überhaupt noch so wie sie eigentlich sollten? 

Die Akribie erinnert mich im guten Sinne an die von Ulf Petermann in den 80ern erstellten Computerprogramme zum Druckverlust von Federkugeln. 

 

Roman 

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Gerade eben schrieb gutesguenstig:

Es ist sehr interessant und vor allem ein gutes Gefühl, dass das vorhandene Material dem ursprünglich gewollten Zustand weitgehend entspricht. Auch bei meiner, zwar „nur“ von ˋ75, gehe ich davon aus. Aber wie weit ist der Großteil der vorhandenen, vielleicht „restaurierten“, Fahrzeuge davon entfernt? Wieviel 2CV federn und fahren überhaupt noch so wie sie eigentlich sollten? 

Die Akribie erinnert mich im guten Sinne an die von Ulf Petermann in den 80ern erstellten Computerprogramme zum Druckverlust von Federkugeln. 

 

Roman 

Meine Erfahrung:

Wenn man 10 Enten dieselbe Strecke fährt, federt jede anders.

Da sind viele dabei die sehr weit vom Soll entfernt sind.

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