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5HP im Alltagseinsatz


Ehrwuerden

Empfohlene Beiträge

Bloss nix Neues !

Ich ärger mich doch viel lieber mit Altem herum...

Ausserdem habe ich ja noch einige Geräte auf der Seite, von denen ich hier noch kein Wort verloren habe. Aber bleiben wir erstmal beim real existierenden Blödsinn. So hat der Fünfer eine neue Batterie und ein altes Motorhorn verpasst gekriegt. Erstere find ich toll, die alte war total hinüber. Einen Fünfer kann man zwar auch mit einer defekten Batterie fahren, aber ich schätze mittlerweile den Elektrostarter doch sehr. Kurbeln tu ich nur noch, wenn ich damit angeben will. Anscheinend setzt sich die Faulheit auf lange Sicht doch gegenüber dem Drang zur Selbstdarstellung durch.

Fahren tut er im Moment besser als je zuvor, woraus ich lerne: trau keinem Zündzeitpunkt, den du nicht selber eingestellt hast. Natürlich ist er deswegen noch lange kein Rennwagen, aber er hält problemlos im heutigen Verkehr mit. Was manche Autofahrer aber trotzdem nicht davon abhält, einen gefühlten Abstand von 30cm zu halten. Wie soll da einer noch im Falle einer Notbremsung den Anker werfen, und vor allem: wohin ?

Das Horn scheint mir dafür relativ witzlos. Es röhrt herzlich und bemüht sich hörbar, alles kein Thema. Da ich als Schweizer eine Abneigung gegen grundloses Hupen pflege, war ich auch gar nicht so unglücklich, als ich gestern an einer Ampel stand, wo ein Audifahrer vor mir die Grünphase infolge intensivem Telefonieren verschnarchte. Also frisch gehornt - sprich "a-rööööö-ha" - und der Kerl pennte einfach weiter. Anscheinend sind moderne Audis recht gut schallisoliert... Als bekennender Hupenfetischist verfüge ich glücklicherweise in allen Fahrzeugen über mehrere akustische Signalgeber. Ein Griff zur Mahnstufe zwei - das aussen angebrachte Messinghorn mit Gummiballon zum Drücken, und weiter gings.

Um nochmal auf die seltsamen Autofahrer zurückzukommen, die wohl der Anziehungskraft meines Auspuffs nicht widerstehen können: Fünferfahren bietet ja sehr viele Möglichkeiten zum Studium der Psyche seiner Mitmenschen. Jedenfalls bin ich zum seltsamen Schluss gekommen, dass Kriege ja grundsätzlich eher verdammenswert sind, aber wenn sie doch stattfinden, ist es glücklicherweise meist eine Sache unter Männern.

Warum ich jetzt auf diese abstrusen Gedanken komme ? Ganz einfach, drei Viertel derjenigen, die sosehr auf meinen Windschatten erpicht sind, sind Frauen. Dass sie dabei oft in ungemein grobschlächtig wirkenden Fahrzeugen sitzen, ist nur ein Detail am Rande. Allerdings muss ich hinzufügen, dass gegenüber einem gutgelaunten Fünfer so ziemlich jedes Auto grobschlächtig wirkt.

Dann habe ich noch längere Zeit herumphilosophiert. Über das Thema Zulassung und technische Abnahme von Fahrzeugen aus den Zwanzigern. Man kann es drehen wie man will, es ist herrlich absurd. Da wäre ja zuerstmal die Abnahme, die bekanntlich in erster Linie dazu dient, die Einhaltung der technischen Vorschriften des Erstinverkehrssetzungsdatums zu überprüfen. Solche technische Vorschriften gabs bei uns erstmals 1932, und sie sind nicht rückwirkend anwendbar. (Sonst müsste ich ja plötzlich funktionierende Bremsen und Lampen an gewisse Fahrzeuge machen... Gott bewahre !) Jedenfalls erlebe ich öfter, dass mir bestgeschulte moderne Experten mit viel gespieltem Aufwand bestätigen, dass meine Fahrzeuge keinerlei technischen Vorschriften entsprechen. Das finde ich halt schon toll.

In Sachen Amilcar gehts auch weiter. Im Moment lungert hier eine erstklassige Schlechtwetterphase herum. Also ideal, um sich wiedermal in der Werkstatt breitzumachen. Die letzten Vorbereitungen zum Flechten des Kabelbaums stehen an. Dazu gehört auch das Platzieren der Instrumente auf dem Armaturenbrett. Selbiges besteht momentan noch aus einem Alublech mit liebevoll angefertigtem Zapfenschliff. Die Löcher für die Instrumente lasse ich mit dem Laser ausschneiden, das ist schonender als es von Hand zu wursteln. Aber eben, erstmal müssen sie ihren Platz finden. Das habe ich heute mal so halbwegs hingekriegt. Jetzt darf ich mir nochmals ein neues Schema zeichnen, dank dem Zündlichtschloss von Scintilla hat sich da nochmal einiges geändert gegenüber meiner ursprünglichen Auslegung. Der Hauptunterschied liegt darin, dass ich den Fusschalter für den Anlasser weglasse und dafür ein Startrelais einbaue. Der Fussraum des Amilcar ist recht eng, und meine Füsse gross...

Dann habe ich noch ein wenig am Blech herumgedengelt. Mit ganz brauchbarem Erfolg, ich konnte einige doch recht wurstige Stellen halbwegs glätten. Den Rest überlasse ich dann der Spachtelmasse.

Mal schauen, was die nächste Zeit so mit sich bringt. Bericht folgt.

frohe Grüsse aus dem regnerischen Süden,

Oliver

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Hach, das war doch wieder schön zu lesen, Danke! :)

Die Damenwelt hat Nachholbedarf. Nur das höhere Sicherheitsbedürfnis steht dabei im Wege. Glücklicherweise gibts ja nun endlich SUVs, da fühlen sich auch Damen sicher genug für Stoßstangenkuscheln.

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So langsam faulen mir die Finger ab. Schuld daran ist der Amilcar, bei dem es jetzt an die Vorbereitung der Karosserie fürs Lackieren geht. Und man glaubt ja kaum, wieviel es nur schon an so einer alten Motorhaube zu schleifen gibt. Die wiederum lässt erahnen, wie das Auto einmal ausgesehen hat, irgendwann in den Sechzigern. Da wurde es nämlich irgendwo in Belgien von einem Schrottplatz geholt. Die tiefen Rostnarben im Chassis waren ja schon ein Hinweis, aber die Motorhaube ist der definitive Beweis dafür, dass das Auto schonmal für tot erklärt, bestattet und vergessen war. Unter dem alten Lack kamen grosse Rostnarben zum Vorschein, die von einem längeren Aufenthalt auf dem Autofriedhof erzählen. Die restliche Karosserie dürfte ja kaum besser ausgesehen haben und damit einen sehr guten Grund geliefert haben, sie damals diskret zu entsorgen.

Und so begann ein Spass, der bis heute andauert.

Jeder hat so seine Tricks im Umgang mit Eisenoxid. Im Normalfall lasse ich den Rost so sein wie er ist und tränke ihn mit Owatrol. Wenn alles klappt hat man dann für eine Generation lang Ruhe. Aber wenn ich mich ans Neulackieren mache, gehe ich einen etwas aufwendigeren Weg. Vorhandener Rost scheint mir eine schlechte Grundlage fürs Lackieren, und so habe ich mich jetzt einige Tage lang mit Schmirgeltuch an der Motorhaube ausgetobt. Die Farbe habe ich vorgängig schon mit dem Heissluftgebläse und dem Spachtel entfernt. Bleiben die schwarzen Flecken, wo das Blech grossflächig angerostet ist. Der Rost sitzt zwar eher auf der Oberfläche, hat aber im Lauf der Jahre eine steinharte, schwarze Kruste gebildet. Da ich nicht erleben möchte, wie sich mein neuer Lack vom Untergrund löst oder Blasen wirft, muss das Zeug runter. Und das ist mit sehr viel Geschrubbel verbunden. Erst wenn die harte Rostschicht weg ist, kann ich dann an die nächste Phase denken: das Waschen in verdünnter Phosphorsäure. Es macht immer wieder Spass zu sehen, wie man damit oberflächlichen Rost einfach so wegwaschen kann. Dazu muss man auch etwas mit einem Schwamm oder getränktem Lappen auf den entsprechenden Stellen herumrubbeln, aber das eigentliche Problem beginnt dann nach dem Absäuern. Kaum trocknet das Eisen, schon rostet es, egal wiesehr man es mit Wasser spült. Da kommt dann die Badewanne zum Einsatz, darin ein heisses Bad mit Seifenlauge. Danach kann das Teil abgespült werden und nun trocknet es dann auch ohne anzulaufen. Abtrocknen ist aber trotzdem nötig, denn so ganz blankes und frisch abgesäuertes Eisen reagiert auf jede Wasserperle mit einem fuchsroten Rostfleck.

Leider sind so alte Motorhauben recht unhandlich, und sie haben etwas, was das Entrosten und Schleifen ungemein mühselig gestaltet: ganz viele Sicken zur Entlüftung. Beim Amilcar sinds sogar vierzig Stück, und jede hat zwei Seiten. Und selbstverständlich hats gerade dort nicht wenig von den zähen schwarzen Rostflecken. Auf der einen Seite sind sie zudem teilweise verbogen, auch das muss noch gerichtet werden.

Und dann sollte es losgehen mit dem Lackieren. Besser gesagt mit Grundieren, Spachteln, Füllern und Schleifen. Somit bleibt mir noch etwas Zeit, um mich endlich zu entscheiden, in welcher Farbe mein "Rennwagen" erstrahlen wird. Das Chassis, die Räder, Lampen und das Interieur sind knallrot, die Achsen und die meiste Technik schwarz oder blankes Aluminium, und die Karosserie sollte nun irgendwie damit harmonieren. Zuerst dachte ich daran, sie blank zu lassen, aber mittlerweile bin ich doch überzeugt, dass sie lackiert besser aussehen wird. Eine Variante wäre mausgrau, eine andere ein sehr dunkles, tiefes blauviolett. Nun, die Entscheidungsschlacht dauert momentan noch an.

An sich interessieren mich neue Autos recht wenig, aber gestern hatten der Fünfer und ich eine Begegnung der anderen Art. Wir standen da so in völliger Harmlosigkeit vor meinem Lieblingsladen, einem Elektronikshop, der nächstens ins UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen wird. Und da schlich sich so eine flache, recht frech anzusehende blaue Flunder neben den Fünfer. Und zwar völlig geräuschlos. Ein Blick aufs Heck des Autos, und mir war klar, dass da ein wirklicher Traumwagen vor mir stand. Denn dort stand Tesla.

Während europäische Elektroautos meistens irgendwie wie eine Toilettenkabine aussehen, haben die Amerikaner da einen in meinen Augen weitaus besseren Weg eingeschlagen, das Thema Elektroauto für die Allgemeinheit reizvoll zu gestalten. Irgendwie sollte man sich ja für die Dinger auch weiterhin auf die bekannte, irrationale Art begeistern können. Die Vernunft alleine ist ganz sicher kein brauchbares Argument, einen herrlich rülpsenden Achtzylinder gegen ein Gebilde aus Batterien und einigen Fönmotoren zu tauschen. Und ein rollendes Dixiklo ist für mich als eher durch Leidenschaft als Verstand gesteuerten Liebhaber nun mal gelinde gesagt mitleiderregend. Der Tesla hingegen stand auf richtigen Sportwagenrädern, war so gross wie ein Sportwagen, sah aus wie einer, und es hatte keinerlei Gimmicks, die gerade bei Elektromobilen so gerne angebracht werden, um auf optisch verstörende Art und Weise der Welt kundzutun, dass man lieber Elektronen als Kohlenwasserstoffe herumscheucht. Am liebsten wäre ich einfach eingestiegen und hätte einen lautlosen Burnout hingelegt. In dem Moment siegte dann leider doch der Verstand, aber dank des Fünfers ergab sich erstens ein recht interessantes Bild von gestern und heute, und ich konnte den Besitzer des Tesla ausfragen, ohne als Schwätzer erkannt zu werden. Das Ding mag schon recht alltagstauglich zu sein, die Reichweite mit über 300km scheint auf den ersten Blick auch in Ordnung, die Fahrleistungen sind sehr ansprechend und das Fahrgefühl muss wirklich toll sein. Aber 300km können auch zuwenig sein, gerade wenn man an einem herbstlichen Sonntag ohne viel Touristenverkehr mehrere Alpenpässe unter den Achsen durchziehen will.

Bleibt noch ein ernsterer Wermutstropfen. Die Dinger sind teuer. So teuer, dass wenn ich heute anfange, darauf zu sparen, längst Taschenlampenbatterien mit 500km Reichweite verbaut werden, wenn ich genug Geld auf der Seite habe.

Ein Auto, das mich immer beeindruckt hat, ist der Lancia Lambda. Er wurde von 1923 an gebaut, hatte eine selbsttragende Karosserie, vorne Einzelradaufhängung und hydraulische Stossdämpfer. Dazu einen Vierzylinder V-Motor mit so engem Zylinderwinkel, dass nur ein gemeinsamer Zylinderkopf für beide Zylinderbänke verwendet wurde. Der Ruf der Marke Lancia beruhte lange Jahre auf den Leistungen des Lambda. Das Motorenkonzept überlebte sogar bis in die Siebzigerjahre. Also ein guter Grund, an einem gelangweilten Sonntagabend die Homepage von Lancia aufzurufen.

Welch herbe Enttäuschung. Ausser dem Namen ist eigentlich nichts mehr davon zu finden, was einmal Lancia ausmachte. Einige wenige Kleinwagenvarianten, die wohl der grauslichen Cinquecentopersiflage aus dem Hause Fiat Konkurrenz machen sollen, ein vom Design her wohl für die mongolische Provinz gedachter Abklatsch eines einstmals unverwechselbaren Autos namens Lancia Delta... Es gab Zeiten, da lieferte die Designabteilung von Lancia weitaus weniger Gründe, sich für einen Alfa-Romeo zu entscheiden. Traurig ist es allemal, und das Ende der Marke Lancia wohl absehbar.

Wobei Puristen wohl einwenden würden, dass bei Lancia die Luft in dem Moment raus war, als sie von Fiat übernommen wurden.

Mein Alltag besteht eigentlich wie bei den meisten hier aus dem ewigen Kampf zwischen der eigenen Faulheit und äusseren Zwängen. Das Rezept für ein relativ unbehelligtes Gedeihen im Verborgenen liegt darin, die äusseren Zwänge rechtzeitig vorherzusehen und sich dann irgendwie daran vorbeizumogeln. Wirkliche Ruhepausen, also die ohne einen Hauch eines schlechten Gewissens, sind selten genug. Glücklicherweise gibt es aber auch genügend andere Möglichkeiten, sich dem mentalen Surfen hinzugeben. Eine wunderschöne ist das Philosophieren. Wenn man das richtig macht, dient man Generationen von Ketzern als Vorbild.

In so einem Moment habe ich mir so einige Gedanken zum Thema Schöpfung und so gemacht. Mutter Natur wird ja gerne als absolut unfehlbar angesehen, im Gegensatz zu uns seltsamen, werkzeugbenützenden Halbaffen, die eigentlich nichts anderes tun, als von einer Sackgasse zur andern zu rennen und dabei einen der besttemperierten bekannten Planeten zerstören. Beispielsweise, indem gewisse Witzbolde ein ganz besonderes Vergnügen darin finden, wertvolles Benzin in technisch völlig unausgereiften und zudem gnadenlos veralteten Geräten zu verheizen.

Und da frage ich mich ja schon, wenn wir Abkömmlinge von Mutter Natur sind: wer ist dann der Vater ?

Spass beiseite, aber mir scheint, dass die Aufteilung unserer erlebten Welt in Mensch und Umwelt so nicht praktikabel ist. Ganz offensichtlich sind wir untrennbare Begriffe, und sogar mein Fünfer ist irgendwie ein Naturprodukt. Gebaut aus Stoffen aus der "Natur" dieses Planeten, von Knilchen, die sich als Krönung der Schöpfung betrachteten, und doch nur am Ende eines evolutionären Asts der Säugetiere stehen.

Womit sich der Kreis jetzt wieder schliessen lässt. Denn wir sollten bei aller Vernunft nicht so unvernünftig sein und glauben, dass wir von Vernunft getragen werden. Sonst müssen unsere Kinder sich womöglich wirklich eines Tages für rollende Samitärartikel begeistern, und nicht für Spassmaschinen wie eine Shelby Cobra oder eben, einen Tesla. Wir sollten langsam einsehen, dass wir auch nur Naturprodukte sind, oder wie es Adorno so treffend formulierte: Man kann sich drehen wie man will, der Arsch bleibt hinten.

Grüsse vom betont unvernünftigen

Oliver

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Kurzes Zwischenspiel, oder von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen.

Und zwar in einem Hyundai Heins Pritschenwagen. Und das sogar mit einem irgendwie gearteten Bezug zu dieser unendlichen Geschichte hier. Aber dazu muss ich erstmal etwas in der Vergangenheit herumwühlen....

Mit meinem treuen Haustier, einem sehr verträumten Zwerghamster, habe ich nicht nur die Neigung zum Träumen gemeinsam, sondern auch die zu hamstern. Wenn auch auf eine etwas ungeschicktere Art, denn ich hamstere gelegentlich Dinge, die dann jahrelang sinnlos bei mir Platz versperren. Das können beispielsweise zwei Wankelmotoren zu van Veen Motorrädern sein, oder sogar ein komplettes und sehr schnelles Motorrad aus den Fünfzigern. Im Gegensatz zu meinem Hamster habe ich dann zunächst einmal keine konkrete Verwendung für das Geraffel, aber ich kann damit etwas tun, was er nicht kann. Also erstmal ätsch...

Nämlich eintauschen gegen anderes Geraffel. Glücklicherweise bekommt der Hamster davon (ausser im Moment einen gewissen Rizinusgeruch) nichts mit, sonst würde er mich wohl kräftig auslachen.

Blenden wir wieder zurück in die Neuzeit. Mittlerweile hatte ich doch noch jemanden gefunden, der Interesse an meinen alten Spielsachen hatte und mir dafür im Tausch noch ältere Spielsachen gab. Der sass aber in Venlo, was für einen kurzen Ausflug mit Ente und Anhänger doch etwas weit zu sein schien. Nach einigen Umwegen und der Feststellung, dass ein Renault Espace viel kleiner ist, als man es meinen möchte, stand ich dann vor dem besagten Hyundai, einem Pritschenwagen neuerer Bauart, mit einem aerodynamisch dem Mehari abgekupferten Verdeck. Das Fahrzeug, firmenintern als Gemüsestand bezeichnet, gehört einem lieben Nachbarn, der es mir dieses Wochenende zu einem Freundschaftspreis zur Verfügung stellte. Und so begab es sich, dass ich am Samstagmorgen um zwei losfuhr, meinen Freund Jozef auflud und gen Venlo brauste. Mit Motorrad und Motoren auf der Pritsche, und einem ersten ganz kurzen Motoraussetzer schon nach einer halben Stunde. Damit war schonmal für eine gewisse Spannung am Steuer gesorgt. Da das Auto aber erst 44tkm auf dem Zähler hatte, taten wir beide so, als wäre nichts gewesen und rödelten munter weiter durch Nacht und Nebel. Nachdem letzterer bis Basel nicht gewichen war, fuhr ich mal mit der Hand innen über die Windschutzscheibe. Die Idee war gut und die Scheibe wohl noch nie geputzt worden, jedenfalls war das Nebelproblem dann recht schnell behoben. Nicht aber die Sache mit den Aussetzern, die wiederholten sich alle Viertelstunde, veränderten sich aber nicht, was uns einmal mehr zum Weiterfahren bewog. Nicht sehr weit, denn schon recht bald meldete sich die Tankuhr mit einem dringenden Bedürfnis. Das zu ignorieren wagten wir dann doch lieber nicht, und so begann unser Unterstützungsfeldzug für die deutsche Mineralölindustrie. Das Tankritual sollte sich noch fünfmal wiederholen, um dann bei 238 Litern verheiztem Dieselöl auf 1406 Kilometern zu einem gnädigen Ende zu kommen. Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich gleich einen Leopard 2 der Schweizer Armee mit aufgepflanztem Sackmesser buchen können. Nun, mir wurde von inkompetenter Seite gesagt, dass da ein Motor von Daimler-Benz am werkeln sei. Wenn dem so ist, dann scheint mir die deutsche Autoindustrie einen besonders perfiden Weg gefunden zu haben, um ihre Konkurrenz abzuhängen...

Morgens um zehn standen wir dann trotzdem recht pünktlich vor der Tür des Holländers, um die Transaktion vorzunehmen.

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Das war der erste Streich. Im Tausch gegen mein englisches Moderrad aus den Fünfzigern gabs eine 1922er Rudge Multi mit 500ccm. Und stufenlosem Getriebe.

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Mit einem kräftigen gegengesteuerten Motor, der etwas höher geriet, als ursprünglich angedacht.

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Die andere Seite sieht etwas ungewohnt aus.

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Der zweite Streich, eine 1935er Monet & Goyon 250er Supersport.

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Mit einem recht heissen kleinen Motor mit Haarnadelfedern, was damals schon etwas heissen wollte.

Abends um neun waren wir dann allen Aussetzern zum Trotz, zwar völlig verarmt aber mit dem guten Gefühl, indirekt spürbar zur Rettung Griechenlands beigetragen zu haben, wieder zuhause. Hundemüde, aber saufroh, dass unser Fahrzeug sich schlimmere Spässe verkniffen hatte. Noch kurz abgeladen, und dann war Feierabend. Am Sonntag folgte dass das erste Erkunden der Beute, etwas, das ich gerne mit einem Putzlappen in der Hand tue. Dabei zeigte sich, dass die Rudge unter der Schicht aus Öl und Strassenstaub in herzerfrischend schönem Zustand ist.

Die Rudge Multi hat mich schon lange fasziniert. Eigentlich eine recht normale, vielleicht etwas kräftige 500er mit ansprechender Optik, wenn da nicht das Detail mit dem stufenlosen Getriebe wäre. Denn die Rudge verwendet einen Keilriemenvariator als Getriebe, was ihr theoretisch erlaubt, immer im optimalen Drehzahlbereich zu arbeiten. Als die Multi 1914 erstmals an der TT auf der Isle of Man teilnahm und gewann, wurde sie umgehend für weitere Rennen verboten, da sie über einen als recht unfair empfundenen Wettbewerbsvorteil verfügte.

Nun hat mir die Nacherstweltkriegsversion der Rudge Multi immer besonders gut gefallen, mir scheint, dass man ihr ansieht, dass sie schnell ist. Das einzige, was mich an den Maschinen immer gestört hat, war ihr Preis, der sich für mich immer irgendwo zwischen unbezahlbar und phantastisch bewegte. Und so griff ich diesmal zu, als sich die Möglichkeit bot.

Was wohl keine dumme Idee war, wie die heutige Probefahrt zeigte. Die Putzaktion vom Sonntag hatte ja ein sehr schön erhaltenes Motorrad zutage gefördert, und so stülpte ich vertrauensvoll die Halbschale auf den Schädel, klappte die Türen meiner Lederjacke zu und machte mich auf, das Fahren mit einem verkehrtrum gebauten Motorrad zu lernen. Die erste Ausfahrt ging so über rund zwanzig Kilometer und war viel zu schnell vorbei. Es war mir aber recht schnell klar, dass man mit dem Teil erstmal fleissig üben muss, wenn man das Gerät voll auskosten will. Aber eines ist schonmal klar, das Ding ist erstaunlich schnell. Und einigermassen laut.

Aber kein Vergleich zur Monet & Goyon. Die ist zwar nur halb so gross, jedenfalls der Motor. Aber der hats in sich. Ein kurzer Probelauf und es war klar, das Ding wird der absolute Liebling aller sonntäglichen Langschläfer. Die Maschine wurde damals als Supersport bezeichnet, was nichts anderes war, als eine strassentaugliche Rennmaschine. Sie hatte so Feinheiten wie ein Vierganggetriebe mit Fusswippenschaltung, oder eben den Motor mit hemisphärischer Brennkammer und den schönen Haarnadelventilfedern. Auch ihr sieht man ihre Sportlichkeit auf den ersten Blick an. Ausserdem nehme ich an, dass es sich dabei um eine Konstruktion von Raymond Guiget handelt, aus dessen Feder ich bereits ein sehr nettes Motorrad besitze. Allerdings noch aus der Zeit, als er auf eigene Rechnung Motorräder baute, die er unter dem Markennamen Koehler-Escoffier verkaufte. Sehr erfolglos, was in krassem Gegensatz zu den Rennerfolgen seiner Maschinen stand.

Vom Fünfer gibts momentan in erster Linie zu berichten, dass er seine Funktion als "normales" Auto bestens erfüllt. Abgesehen vom ewigen Dilemma des Eintürers mit der Tür auf der falschen Seite erweist er sich als sehr brauchbar für die gelegentlichen Einkäufe und Botengänge hier in der Gegend. Um Langstreckenfahrten drücke ich mich im Moment etwas herum.

Beim Amilcar ist die Entscheidung für den Farbton gefallen. Es soll ein so dunkles schwarzviolett werden, dass man erst auf den zweiten Blick merkt, dass es eben doch violett und nicht schwarz ist. Diesen Farbton zu finden, und dies in einer vernünftigen Qualität, also mit einer gewissen Tiefe, ist gar nicht so einfach. Auf den Farbkarten meines Farbheinis findet sich der Ton jedenfalls nicht. Aber kommt Zeit, kommt Rat, und so wird auch dieses Problem wohl bald gelöst sein.

Damit gebe ich wieder zurück an den Alltag,

mit frohem Gruss,

Oliver

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zwei sehr schöne "töff's" die du dir angeschafft hast!

witzige aussage:"das Ding wird der absolute Liebling aller sonntäglichen Langschläfer. "

:-)

wenn ich sonntag's vormittags, gg. 10.30 uhr, meine 500er triumph brüllend zum leben erwache lasse......

..... dann fallen sicherlich auch welche aus der koje.

ciao

andy

p.s. dein gesuchtes violett-schwarz....gab's das nicht in den 80ern von BMW?

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Oliver, kennst Du das "Aubergine" AC406 von Citroen. Habe ich auf dem Dach meiner 59er DS. Das sieht je nach Lichteinfall und Lichtquelle in 9 von 10 Fällen wo man es betrachtet schwarz aus

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Danke für die Tipps. Ob unser Citroenheini hier noch solche Farbkarten hat ist eine andere Frage, aber wer sucht, der findet oft, manchmal auch was anderes, aber so isses nun mal.

Leider konnte ich keine weiteren Probefahrten mit der Rudge unternehmen. Zufällig war mein Blick auf ein Segment des Gliederkeilriemens gefallen, das kurz vor dem Durchfaulen war. Also musste Ersatz her. Dummerweise finden sich passende Gliederkeilriemen schon seit Jahrzehnten nicht mehr in den Regalen einschlägiger Lieferanten, also musste ich auf andere Abhilfe sinnen. Der alte Riemen trägt zudem mit seiner Optik viel zum Erscheinungsbild der Rudge bei, und da ja im Moment erstmal nur ein Glied kaputt ist, machte ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Material um ein Ersatzglied herzustellen. Das sollte eine gewebeverstärkte Gummimatte von ca. 5,5mm Dicke sein. Fündig wurde ich schliesslich bei einem Hersteller von Förderbändern. Jetzt habe ich genug Rohmaterial für ganz viele neue Glieder.

Beinahe hätte ich ja vergessen, einen der nettesten Eindrücke von den ersten Tests der Rudge zu erwähnen. Als ich sie gestartet hatte, roch es nach Rizinus. Offensichtlich war der Vorbesitzer ein recht sportlich angehauchter Fahrer und schüttete Castrol R in den Öltank. Das ist ein Motorenöl auf Rizinusölbasis, das dadurch glänzt, dass es sich nicht mit dem Benzin mischt und dadurch einen sehr reissfesten Schmierfilm bildet. Dem Geruch von verbranntem Castrol R begegnete man damals vor allem auf Rennstrecken, und man fühlt sich gleich ein halbes Jahrhundert zurückversetzt, wenn er einem in die Nase steigt.

Dann war ich zwischenzeitlich noch beim Zollamt und habe aus den beiden ordentliche Schweizer gemacht. Damit ist der Weg zur Zulassung frei, ich muss allerdings noch einige Details anpassen. Beide Maschinen haben keinen Tacho, und die Beleuchtungsanlagen möchten auch noch instandgestellt werden. Was bei der Rudge sicher originell wird, denn die hat eine grosse Karbidlampe mit separatem Entwickler.

Heute wollte ich es dann noch genauer wissen und habe die Monet & Goyon aufgehängt. Das Problem war der Zentralständer, der nach vorne wegklappte. Das liess sich mit etwas gezieltem Auftragsschweissen regeln, die Anschlagpunkte des Ständers waren einfach nur abgenutzt. Und weil sie so schön in der Luft hing, habe ich gleichmal den Kickstarter durchgezogen. Der Motor beantwortete das mit einem lauten "Schlorz" auf der anderen Seite, und mein Ententeilelager bekam eine kräftige Öldusche. Nach einigen weiteren Versuchen war mir klar, dass der Inhalt des Öltanks durch die Pumpe ins Motorgehäuse gelaufen war und sich jetzt bei jeder Umdrehung des Motors über das Entlüftungsrohr einen schnellen Weg ins Freie suchte. Eigentlich wäre unten im Motor ja ein Trockensumpf, aber meiner hatte gerade Springflut. Dem liess sich schnell abhelfen, Öl unten abgelassen und oben wieder eingefüllt, und dann durfte die Maschine wieder auf den Boden.

Dem unbekannten Vorbesitzer gilt meine tiefe Dankbarkeit. Denn beim Herumfummeln mit dem Putzlappen zeigte sich, dass die Räder rundum wie neu sind, neue Felgen, neue Speichen, neue Lager und die Reifen sind auch noch nie auf der Strasse gewesen.

Nach den letzten Erfahrungen mit lange nicht gelaufenen Motorrädern verzichtete ich diesmal darauf, das Teil in der Werkstatt zu starten. Normalerweise rauchen die Dinger nach längeren Stillstandphasen erstmal kräftig, aber die Monet & Goyon legte noch einen guten Grund drauf, sie im Freien zu starten.

Vorab eines: sie ist auf den ersten Kick angesprungen. Dann gings aber erst richtig los. Der 250er Motor entwickelte sofort eine absolut unglaubliche infernalische Lautstärke und liess keinen Zweifel daran aufkommen, dass er zur Familie der Explosionsmotoren gehört. Dabei hatte ich ja noch gar nicht richtig Gas gegeben, erstmal musste der Motor warmlaufen und auf eigenartige Geräusche abgehört werden. Die Rauchentwicklung war auch nicht zu verachten, irgendwann rauchte einfach alles an dem Ding. Der Zylinderkopf war total verölt und tat sein Teil dazu. Der Auspuff scheint unten ein Loch zu haben, dort trat auch Öl aus und rauchte ab.

Nach einigen für meine Nachbarn harte Minuten wagte ich mich dann daran, die Drehzahl langsam zu erhöhen. Schlauerweise hatte ich mich so versteckt, dass mich keine vorwurfsvollen Blicke direkt treffen konnten. Irgendwann kam dann der Moment, wo ich das Gefühl hatte, dass die Maschine gut genug am Gas hing, um die Zündung auf früh zu stellen und den Gasgriff ganz aufzudrehen. Das war dann eindeutig der Höhepunkt des Tages, der Motor ging da erst richtig ab und drehte auf eine Drehzahl, wie ich es nie erwartet hätte bei so einem alten Motor. In Sachen Dezibel gings da auch erst richtig los, und das obwohl die Maschine ja sogar über einen Auspufftopf verfügt.

Am Samstag geht der Spass dann weiter, ich kann mir dann ein Dezibelmeter ausleihen, und die Drehzahl des Motors werde ich auch noch messen.

Die Monet & Goyon ist ja vom Typ her eine Supersportmaschine. Was das bedeutet, ist mir spätestens seit ich sie gehört habe klar. Supersport, das hiess eine Rennmaschine in Strassenkostüm. Wozu solche Spässe wie das fussgeschaltete Vierganggetriebe ebenso gehörten wie die Haarnadelfedern auf dem Zylinderkopf.

Jetzt habe ich es natürlich ganz eilig, beide Motorräder auf die Strasse zu bringen.

Und was meine Nachbarn wieder etwas versöhnlicher stimmen mag: ich bin auch kein Frühaufsteher...

mit einem diskreten Gehörschaden,

Oliver

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Zitat: Schlauerweise hatte ich mich so versteckt, dass mich keine vorwurfsvollen Blicke direkt treffen konnten.

brüll....schenkelklopf :-)

als wenn die nicht schon lange wüssten, wer da am werkeln ist :-))

wünsch dir verölte hände für's wochenende

ciao

andy

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und ich hab das für ein nahendes Gewitter gehalten.....

:-)

Grüßle in den Süden

Mosel,

der sich immer wieder an dem Geschreibsel erfreut.

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Heute durfte der Fünfer ein bisschen Rennatmosphäre schnüffeln. Denn dieses Wochenende war wiedermal Michaelskreuzrennen, da wo ich vor drei Jahren mit der frisierten Ente mitgeheizt bin. Diesmal hatte ich auf eine Teilnahme verzichtet, denn neuerdings muss man beim Heizen einen Helm tragen. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass meine Ente auf sowas sehr beleidigt reagieren würde - zu Recht, denn es wäre ihr gegenüber doch recht unfair. Und so bin ich halt mit dem Fünfer hingefahren. Der hat sich auf der Strecke sehr wohl gefühlt und es wohl auch sehr genossen, nicht auf den Berg rauf zu müssen.

Irgendwie hat es mich dann aber doch noch erwischt, als ein Freund mit seinem Riley 1950er Cabrio heranfuhr und ich mehr spasseshalber auf seinen Beifahrersitz geschlüpft bin. Eigentlich in der Annahme, er würde mich am Ende der Strasse wieder rausschmeissen. Das tat er dann auch, aber eben ganz am Ende der Strasse, oben auf dem Berg. Und so kam ich doch noch in den Genuss einer Bergrennfahrt, wenn auch etwas verhaltener als ich damals mit der Ente.

Der Abend war dann ein recht schöner, so mit buntem Sonnenuntergang und allem Luxus, ideal um mit dem Fünfer wieder zurückzurattern. Im Gegensatz zu seinen Kollegen am Bergrennen tat er dies ohne einen einzigen Zündaussetzer. Dort schlich ich mich noch kurz in die Werkstatt zur Monet & Goyon. Deren infernalischem Gebrüll hatte ich gestern einen Dämpfer verpasst. Vorher klang sie ja mit Auspuff so wie eine gröbere Maschine ganz ohne. Dass das so nicht zulassungsfähig ist, war mir schon nach dem ersten Klingeln in den Ohren klar, und so war ich noch im Haushaltswarengeschäft. Dort verkaufen sie so Schrubbels aus rostfreien Spänen, masochistische Hausfrauen scheinen damit ihr Kochgeschirr zu schmirgeln. In der Werkstatt habe ich dann einige kleinere Umbauten am Auspufftopf vorgenommen und ihn dann schliesslich mit dem Zeug ausgestopft. Wirklich viel hat das auch nicht gebracht, jetzt tönt der Motor aber immerhin so, wie ein gröberer mit leerem Auspufftopf. Das dürfte hoffentlich das Quentchen ausmachen, das eine Strassenzulassung ermöglicht.

Heute wollte ich noch dem Thema Ölverlust auf die Spur kommen. Was nicht weiter schwierig war, der Deckel des Magnetantriebs war undicht, und die daraufsitzende Ölpumpe wohl auch. Beim Öffnen fand sich dann die übliche Schweinerei aus Sanitärsilikon, die zwar gut gemeint, aber eher kontraproduktiv war. Also flugs eine neue Dichtung zugeschnitten, Dichtflächen gereinigt und wieder zusammengebaut. Jetzt ist die Monet & Goyon dicht. Und schnell ist sie auch, wie eine mutige Testfahrt in der Dämmerung zeigte. Mutig insofern als der Dynamo ganz schön müde ist und nur ein schwaches Glimmen der Lampen liefert.

Es scheint so, dass ich mal wieder Glück hatte. Sowohl die Rudge als auch die Monet sind beide recht gesund, die Motoren laufen sauber, drehen schön hoch und zeigen keine beängstigenden Nebengeräusche. Beide erfordern wohl noch etwas Übung, um ihr Potential so gefahrlos wie möglich auszuschöpfen. Die Bedienkonzepte von Vorkriegsmaschinen sind gegenüber späteren doch recht vielfältig, und wenn man schon mit schlechten Bremsen unterwegs ist, sollte man diese im Bedarfsfalle nicht erst lang suchen müssen.

Schlechte Bremsen sollten einen aber nicht davon abhalten, sich mit Vorkriegsgeraffel zu vergnügen. Die "Szene" beklagt sich ja gerne über mangelnden Nachwuchs, aber spätestens wenn man sie fragt, wie sie sich den denn vorstellen, wirds ruhiger. Den jugendlichen Bugattifahrer scheinen sie damit jedenfalls nicht zu meinen, von jungen Fünferpiloten war allerdings auch nicht die Rede. Dabei vergisst man wohl gerne, dass man selber ja auch mal klein angefangen hat. Und dann noch eine Familie gegründet, sowas wie eine berufliche Karriere hingelegt, und sich dann im Lauf der Jahre vom alten Sachsmofa hochgearbeitet hat bis zur Vorkriegsmaschine. So entsteht die lustige Situation, dass der vermisste Nachwuchs meist nur schwer erkennbar ist, da er aus auch nicht mehr ganz taufrischen Knilchen besteht.

Wenn ich heute einen Blick auf meine gesammelten Fahrzeuge werfe, dann staune ich selber oft nicht schlecht. Als junger Spund wunderte ich mich öfters neidvoll, woher gewisse alte Kerle all ihre geilen Spielsachen hatten. Und dachte mir dabei immer, dass die viel Geld haben müssten. Heute habe ich selber einige richtig lässige Spielsachen, immer noch kein Geld und weiss, dass der Weg zum geilen Altmetall lange ist und viel mit sowohl handwerklichem als auch handelstechnischem Geschick zu tun hat.

Und der Spass war es wert. Auch wenn ich seit zwanzig Jahren keine Ferien mehr gemacht habe, wenn ich dafür Rudge, Fünfer oder irgendwann Amilcar fahren darf...

Die Geschmäcker sind halt so verschieden wie die Welten, in denen wir uns bewegen. Mir sagen zwei Wochen am Strand nichts, dafür bin ich glücklich, wenn ich wieder irgendeinen alten Motor zu neuem Leben erwecken darf und ihn dann auch noch auf der Strasse ausprobieren kann. Wenn ich so einem alten Zerknalltreibling beim Warmlaufen zuhöre, vergesse ich alles rundum, und wenn er dann erstmal heiss ist und schön rund läuft, dann bin ich kaum noch zu halten.

Wie in letzter Zeit öfters.

mit fröhlichem Gruss,

Oliver

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" Mir sagen zwei Wochen am Strand nichts, dafür bin ich glücklich, wenn ich wieder irgendeinen alten Motor zu neuem Leben erwecken darf und ihn dann auch noch auf der Strasse ausprobieren kann."

Davon drucke ich mir ein T-Shirt. Aktuell liegt neben meinem Bett die Benzinpumpe aus dem E-Type. Muss noch die Unterbrecherkontakte in der Pumpe einstellen, dann darf sie ins Auto zurück....

DANKE ! für den genialen Text.

Carsten

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Monet & Goyon nochmal !

So langsam komme ich ihr auf die Schliche. Erstens hatte ich die Gelegenheit, eine annähernd baugleiche Maschine anzutreffen. Und zweitens haben wir einige Messungen gemacht, mit recht erstaunlichem Resultat. Aber eins nach dem andern...

Letzten Sonntag bin ich einer Koehler-Escoffier ALS3 begegnet. Die Firma Koehler-Escoffier wurde so um 1930 herum durch Monet & Goyon übernommen, nachdem sie zwar wunderschöne und saumässig schnelle Motorräder gebaut hatte, es aber nie auf einen grünen Zweig damit gebracht hatte. 1930 wurde Koehler-Escoffier zwar noch Champion de France in der Klasse 500ccm, aber das half wohl auch nichts mehr. Nach der Übernahme führte Monet & Goyon die Marke zwar weiter, aber ihre technische Eigenständigkeit hatte sie damit eingebüsst. Sportliche Monet & Goyon gabs von da an auch in anderer Lackierung unter dem Namen Koehler-Escoffier.

Nun stand ich also vor so einer Maschine des gleichen Typs wie meine und knipste wie wild drauflos. Am Abend, bei der genaueren Sichtung meiner Bilder, stellte ich dann einige kleine Unterschiede zwischen den beiden theoretisch identischen Maschinen fest. Angefangen damit, dass meine den schöneren Tank besitzt, aber wirklich interessant wurde es dann beim Motor. So hat meine stärkere und grössere Ventilfedern....oder einen längeren Vergaserstutzen. Der wurde in mühseliger Handarbeit in sehr guter Qualität gebaut. Und obwohl meine Maschine ja im Gegensatz zu ihrer Kollegin sogar über einen Auspufftopf verfügt ist sie fast doppelt so laut. Was mich noch mehr erstaunte ist der Zylinderkopf, der anders als bei seinem Schwestermodell ausgeführt ist. Und über solche Finessen wie rollengelagerte Kipphebel verfügt.

Des Rätsels Lösung: die Maschine ist frisiert. Und das nicht von schlechten Eltern, wie sich beim Ausmessen zeigte. Der heissgelaufene Motor liess sich bis 6000U/min hochdrehen, und in Auspuffnähe gabs 108 Dezibel zu geniessen.

6000 Touren sind für ein Motorrad von 1935 höllisch viel. Tödlich für die allermeisten Maschinen jener Zeit, die sich schon bei 4000 Touren so schüttelten, dass man immer damit rechnen musste, dass einem irgendwas um die Ohren fliegt. Ich staune auch zwei Tage danach immer noch kräftig.

Einen Wermutstropfen hatte die Sache mit dem Testen aber auch. Immer wenn ich vom Gas ging, quoll eine fette, blaue Rauchwolke aus dem Auspuff. Nach einiger Zeit war dann die Kerze soweit verölt, dass sie nicht mehr zündete. Somit war klar, dass der Zylinder runter musste. Was ja eigentlich keine grosse Sache war. Schon kurze Zeit später war der Fall klar. Der Vorbesitzer hatte zwar viel Arbeit und auch nicht wenig Geld in das Gerät gesteckt - wenn ich da beispielsweise an die neuen Räder denke, aber mehr als den Kolben sauber putzen hat er dem Motor nicht zugemutet. Gefahren scheint er dem blitzblanken Kolben nach zu schliessen nicht zu sein. Wahrscheinlich war ihm der Rauch auch zuviel.

Also habe ich Kolben und Zylinder heute im Schleifwerk abgegeben. Der Kolben hat zwar extra eine gelochte Nut für einen Ölabstreifring, aber da werkelte ein stinknormaler Kompressionsring. Ausserdem hatte der Kolben Fresspuren, und der Zylinder hatte den üblichen Standschaden und wird jetzt aufgebohrt und frisch gehont. Der Kolben wird dann auch durch einen neuen ersetzt, wobei ich mir noch überlegen darf, ob ich gleich einen stärker komprimierenden einbaue...

In zwei bis drei Wochen soll das Zeug fertigsein.

Da bleibt mir immerhin genug Zeit, einige andere Details in Ordnung zu bringen. Der Tank schreit beispielsweise nach einer Innenbehandlung, denn dort hats Rost. Und ich habe absolut keine Lust, den dann dauernd aus der Vergaserdüse zu blasen. Und, was auch nicht zu verachten ist: es bleibt mir noch etwas Zeit für die Vorfreude.

Um nochmals auf Koehler-Escoffier zurückzukommen. Als ich den Zylinderkopf abnahm, fand sich ein beinahe trompetenförmiges Einlassventil, also mit einer trichterförmigen Einbuchtung im Teller. Sowas habe ich schonmal gesehen, und zwar eben an einer echten Koehler-Escoffier. Das freut mich natürlich ungemein, denn nun weiss ich auch, wer für den netten Motor der Monet & Goyon verantwortlich zeichnete: Raymond Guiget. Eben derjenige, dessen Fünfhunderter mit Königswelle 1930 die französischen Meisterschaften gewonnen hatte. Somit befinden sich jetzt zwei solcher Einlassventile inklusive Rest der jeweiligen Maschinen in meinem Fundus.

Aber jetzt steht erstmal der Zylinderkopf zur Revision an, und der Tank zum innen Entrosten und Beschichten.

Ansonsten freue ich mich einfach drauf, den Motor mit frischem Kolben und ohne Rauchfahne zum Leben zu erwecken. Und dann - nach einer ordentlichen Einlaufphase - ordentlich Stoff zu geben mit meiner kleinen Französin.

hochtourige Grüsse,

Oliver

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Hi,

das Tankset von KREEM ist ganz gut- ich habe den Tank vom E-Werk und einen vom T1-Bus mit einer Packung Lauge, Säure + 2 Packungen KREEM ROT saniert. Top !

Ist halt aufwändig, aber was ist das in dem Bereich wohl nicht...

Carsten

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Danke für den Tip. Ich sitze seit einer Stunde vor dem Rechner und drehe meinen Benzintank immer mal wieder ein wenig herum, damit die Gülle dann auch schön gleichmässig dick verteilt aushärtet. Das Anwendungsritual ist angenehm aufwendig, passt aber gut, wenn man nebenbei noch an einer Rudge herumfummeln kann. Oder einem Amilcar...oder beidem.

Die Tankversiegelung möchte dann noch acht Tage lang durchhärten, bevor sie mit Saft in Kontakt kommt. Das sollte kein Problem sein, der Zylinder mit neuem Kolben wird erst in zwei Wochen fertig. Bis dann muss ich noch die Ventile einschleifen, den Zylinderkopf entrussen und die versiffte, angebrannte Ölschicht entfernen. Dann noch flugs zum Rettungsschweisser, einige abgebrochene Kühlrippen aufschweissen, und gut ists.

Die beiden Halteplatten für die Kipphebel habe ich dann doch noch schnell zum Brünieren abgegeben. Leider können die nur schwarz, nicht aber blauschwarz, wie früher mal üblich. Damals hiess das in der mechanischen Umgangsspache Bläuen und hatte nicht mit dem Aufheizen der Teile zu tun, bis sie blau anliefen. Sucht man heute nach dem Bläuen, dann wird als einzige Methode das Erhitzen erwähnt.

Die Monet & Goyon schämt sich nicht, ihr Alter zu zeigen. Optisch ist sie alles andere als toprestauriert, und auch wenn sie vor vielen Jahren recht gnadenlos schwarz überlackiert wurde, so bleibt das so. Der Fachmann nennt sowas dann wohl ein Rat-Bike. Technisch wird sie allerdings topfit gemacht.

An der Rudge gab es auch noch einiges zu tun, damit sie vernünftig läuft. Der Gliederkeilriemen hat jetzt ein neues Glied als Ersatz für das defekte, Förderband scheint dazu ein sehr gut geeignetes Rohmaterial zu sein. Durch einen neuen Riemen würde ich den alten keinesfalls ersetzen wollen, der hat eine wunderschöne Patina, oder einfacher gesagt: er sieht herrlich alt aus, Und auf jedem Metallplättchen ist der Name Whitworth eingeschlagen. Und von den Plättchen hat es soviele wie Glieder, der Riemen sieht von aussen aus, wie wenn er gepanzert würe. Da Rudge unter dem Namen Rudge Whitworth firmierte, dürfte das wohl noch der Originalriemen sein.

Nun sollen ja beide zugelassen werden. Und da die Rudge ja trotz ihrer sportlichen Technik eher zu den gehobenen Tourern zählt, möchte ich auch abends damit fahren können. Also muss die Beleuchtung mehr als nur eine Zierfunktion erfüllen. Am Lenker befindet sich eine schöne grosse Karbidlampe mit separatem Entwickler. Der hat aber zwei Ausgänge, einer dürfte wohl für das Rücklicht vorgesehen sein. Nur fehlte dieses. Ein Blick auf den Kalender zeigte mir, dass letzten Samstag ein Teilemarkt im Emmental stattfinden sollte. Also nichts wie hin, und siehe da: ich hatte die Auswahl aus drei Karbidrücklichtern. Das erste war sehr schön, aber zu teuer. Das zweite war schön und bezahlbar. Das dritte war noch nagelneu in der Originalschachtel und ebenfalls bezahlbar. Ich habe dann Nummer zwei gekauft, das ladenneue war mir zu schade, um es von seiner schönen Schachtel zu trennen, ich denke, dass sowas eher in eine wohlsortierte Sammlung oder ein Museum gehört.

Dann war da noch das verbogene Pedal. Anscheinend ist die Rudge mal auf den Rüssel geflogen und hat dabei das rechte Antretpedal verbogen. Also Tretkurbel abbauen und Pedal rausschrauben. Die Tretkurbel war dann recht schnell gerichtet, aber die Pedalwelle hatte auch etwas abbekommen. Nun sind die alten Pedale ja auch nicht reizlos für den gelangweilten Mechaniker. Man kann sie leicht zerlegen, die Kugellager sind offen und die Kugeln sehr entgegenkommend, sobald der Lagerkonus rausgeschraubt ist. Die verbogene Welle habe ich dann im Drehbank sorgfältig mit dem Bleihammer gerichtet. Jetzt ist das Zeug wieder zusammen- und eingebaut und eiert nicht mehr herum.

Der Vergaser ist ein reichlich seltsames Gerät. Er hat kaum Ähnlichkeit mit normalen Motorradvergasern, und so war es naheliegend, ihn mal eben zu revidieren, um seine Funktion besser zu verstehen. Bei der Gelegenheit entdeckte ich im Ansaugtrichter eine grosse, leicht zu betätigende Messingschraube, mit der sich - wenn man weiss wie und wo - mit einem Fingergriff das Gemisch einstellen lässt.

Morgen werde ich mal noch Gasschlauch besorgen, damit ich die Karbidbeleuchtung auch anschliessen kann.

Dann noch den Ständer richten. denn jetzt steht die Gute schräg. Darauf freue ich mich etwas weniger, denn da hat es eine unheimlich starke Feder die aus- und wieder eingehängt werden will. Aber vielleicht fällt mir ja noch ein Trick ein. Zeit zum Nachdenken habe ich ja, denn ich muss noch mindestens eine Stunde lang meinen Tank taumeln.

Der Sattel der Rudge hat auch noch ein kleineres Problem. Eine der beiden Sattelfedern ist gebrochen, Ersatz ist aber schon unterwegs und wahrscheinlich morgen in der Post. Also habe ich den Sattel schon mal demontiert und alle Teile von Rost und Farbe befreit. Denn auch die Rudge wurde mal "restauriert", Tank, Rahmen, Schutzbleche und der Nickel sind neu. Und an einigen Ecken hat der Vorbesitzer wohl sparen müssen, dort griff er dann zum Pinsel. Mir persönlich gefallen mechanische Teile nicht, wenn sie sosehr zugekleistert sind, dass kein Schlüssel mehr passt, und beim Montieren kommt definitiv mehr Freude auf, wenn man saubere Teile leichtgängig zusammenschrauben kann, anstelle mühselig Muttern über alte Farb- und Rostschichten zu würgen.

Eine unangenehme Ausgabe steht jetzt noch an, neue Reifen der Grösse 26x3 Wulst. Hier werde ich einen Kompromiss eingehen und ein relativ modernes Profil verwenden. Damit fährt es sich sicher besser als mit dem alten Blockprofil, das es ,momentan sowieso nur aus chinesischer Produktion gibt.

Es gibt da so ein schönes Sprichwort, das besagt, dass es ungemein viel Spass macht, mit langsamen Fahrzeugen schnell zu fahren. Diese Einsicht ist für einen alten Entenfahrer ja nichts Neues. Nur waren damals, als dieses Wort geprägt wurde, die Staus hinsichtlich Pferdestärken noch sehr viel schwächer auf der Brust als heute. Der Fortschritt ist nicht aufzuhalten, besonders seit der Ölkrise der Siebzigerjahre...

mit fröhlichem Gruss.

und frisch getaumeltem Tank,

Oliver

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Also mit Karbidlicht nachts fahren, puhh. Ob ich mich das trauen würde ? Ich hatte mal eine Grubenlampe, Riesenteil, aber so richtig LICHT kam da nicht raus, die sonderte deutlich mehr Stimmung als Photonen ab.

Viel Glück !

Carsten

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eine frage, euer ehrwürden:

was für ein schmiersystem hat denn deine "rennsemmel"?

bei verlustschmierung wäre es sinnvoll den normalen kolbenring nicht durch einen ölabstreifring zu ersetzen, denn sonst sammelt sich der abgetreifte schierstoff im sumpf!!!!

deine leistung geht runter, dein motorgehäuse bekommt "dicke backen", die k-welle stampft und patscht.

könnte verrecken, das gute stück, wenn du dann nicht alle paar hundert kilometer die ölablasschraube öffnest.

grüße

andy

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Das Gerät ist für seine Zeit recht modern, es hat eine Trockensumpfschmierung mit doppelter Ölpumpe. Die habe ich dann auch erstmal revidiert um ihre Funktion kennenzulernen. Sie ist kerngesund, aber der Vorbesitzer hatte vergessen, einen Ölhahnen zu montieren. So schleicht im Stillstand ganz langsam Öl ins Kurbelgehäuse. Vor dem Starten habe ich dann immer erst das Öl aus dem Kurbelgehäuse abgelassen.

Der Ölhahnen ist aber bereits unterwegs...

Gruss und Dank,

Oliver

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Der Spass geht wiedermal weiter. Da ich noch auf den neuen Kolben für die Monet & Goyon warten muss, habe ich mich ein bisschen mit der Rudge befasst. Die hatte auch ein Problem mit dem Benzintank, der hat ganz langsam getropft, so jede zehn Minuten ein Tropfen. Der Rest der am Vortag angemischten und gemäss Anleitung innert drei Stunden aushärtender Tankversiegelung auch am Tag drauf noch flüssig war, habe ich den Rudgetank auch noch kurz entfettet und dann den Rest der Gülle reingeschüttet.

Eigentlich nennt die Tankversiegelung sich ja Zweikomponentenprodukt, aber die fehlenden Warnhinweise auf dem Härter machten mich etwas stutzig. Normale Härter sind irgendwo zwischen giftig und krebserregend angesiedelt. In meinem realen Leben baue ich Maschinen, um Zweikomponentenkunststoffe zu verarbeiten und schliesse mich jetzt mal einfach der Meinung meiner Kunden an, dass ich etwas davon verstehe. So war mir recht schnell klar, dass die zweite Komponente schlicht ein Lösungsmittel war, also das, was man handelsüblich als Verdünner bezeichnet. Das war mir eigentlich schon vorgestern Abend klargeworden, als ich mich mit dem Tank vor den Computer verzogen hatte, um drei Stunden lang abwechslungsweise zu schreiben und den Tank zu taumeln. Die Beschichtung tat da nämlich etwas, was Zweikomponentenprodukte sonst eher nicht tun sollen, sie stank erbärmlich nach Lösungsmittel. Da ich mein Zimmer mit unserem hochphilosophischen Zwerghamster teile, wollte ich ihm den Gestank nicht weiter zumuten und habe den Tank dann über Nacht in der Küche stehengelassen. Selbstverständlich habe ich dann gestern einen kräftigen Zusammenschiss bekommen, aber das muss es einem wert sein.

Nachdem der Rudgetank schon mal ausgebaut und für mindestens acht Tage nicht verwendbar war, habe ich die Gelegenheit genutzt und mir den Kollegen Motor näher angeschaut. Bisher wusste ich ja nicht sehr viel über ihn, ausser dass er läuft und herrlich nach Rizinusöl riecht.

Der Motor der Rudge ist ein recht eigenwilliger Kerl. Er trägt seine Ventile ein Stück neben dem Zylinder, eins von oben, eins von unten. Das obere Einlassventil liess sich recht leicht ausbauen, drei Muttern halten den gesamten oberen Ventilkörper auf dem Zylinderkopf. Was auch nicht ganz stimmt, denn der Zylinder ist ein Sackzylinder, also mit fest angegossenem Kopf. Die seitliche Ventilkammer ist gerade so gross, dass die Ventile öffnen können. Das Einlassventil ist gelinde gesagt riesig, so um die vierzig Millimeter, und kann sehr leicht und ohne Spezialwerkzeug auf dem Tisch demontiert werden. An sich sah es gar nicht übel aus, der Ventilsitz war zwar schwarz gescheckt, aber nach kurzem Nachschleifen sah das wieder so grau aus, wie es sich gehört. Meiner Neigung zum Perfektionismus folgend habe ich nach dem Schleifen und Reinigen das Ventil nochmal eingesetzt und mit dünnflüssigem Öl die Schleifbewegungen wiederholt. Das Öl wurde recht schnell schwarz und der Ventilsitz wurde heller.

Das Einlassventil hatte nur wenig Kohle angesetzt, aber ein Blick auf das darunterliegende Auslassventil zeigte eine gegen vier Millimeter starke Kohleschicht. Damit war auch gleich klar, dass der Zylinder runter musste. Was auch nicht weiter schwierig war, und auch sehr nötig, wie sich zeigte. Zwischen Ventilkammer und Zylinder ist nur ein wohldimensionierter Schlitz, natürlich schön strömungsgünstig ausgeformt, aber nicht geeignet für die Auskleidung mit einer dicken Kohleschicht. Die war dann sogar so dick, dass der Durchlass auf einen Drittel seiner eigentlichen Grösse reduziert war. Zwei Stunden später lag die Kohle dann auf dem Tisch und der Zylinder war wieder brauchbar. Dasselbe gilt übrigens auch für die Zündkerze, die sich netterweise zerlegen und reinigen lässt.

Damit hat die Maschine mir jetzt doch noch etwas über ihren Vorbesitzer erzählt. Der hatte den Hobel letztmals 1973 im Einsatz, von dann ist die englische Steuermarke an der Gabel. Irgendwann vorher hatte er die Maschine wohl mal restauriert und neu lackiert. Und neu vernickelt, und zwar kräftig, mit Kupfer drunter. Offensichtlich war er ein sportlich angehauchter Zeitgenosse, denn er fuhr das Ding mit Rennöl, oder eben dem lieben Rizinusöl. Das gibt es immer noch unter dem Namen Castrol R im Handel, und es erzeugt einen sehr typischen Abgasgeruch, der alte Rennatmosphäre aufkommen lässt, ausser beim Tüv. Da das Fahren mit diesem Öl einen hohen Wartungsaufwand zur Folge hat, weil es viel Kohle bildet und zum Verharzen neigt, wenn es nicht fleissig gewechselt wird, hatte ich den Schuldigen für die dicke Kohleschicht somit gefunden. Und der Vorbesitzer war wohl eher Fahrer als Schrauber. Was bei einem Fahrzeug, das einen des Schraubens kundigen Fahrer verlangt, offenkundig Nachteile hat. Mein Vorbesitzer dürfte jedenfalls Zeuge gewesen sein, wie sein Moderrad mit der Zeit spürbar an Leistung verlor, aber da er selber zu der Zeit wohl auch gerade am Altern war, hat ihm das wohl nichts ausgemacht. Das sportliche Flair behielt er aber weiter aufrecht und schüttete gelegentlich etwas frisches Castrol R nach.

Das Resultat ist eine honigzähe, tiefschwarze Flüssigkeit im Motor, die wohl kaum geeignet ist, etwas zu schmieren. Dafür kann sie göttlich verschmieren, und zwar eine ganze Werkstatt, wenns sein muss. Und das auch noch ganz schnell. Die Pampe ist zwar jetzt draussen und auch wieder überall weggewischt, aber einige Schraubenschlüssel bergen doch noch eine Überraschung für meinen Arbeitskollegen.

Morgen wird dann noch das Kurbelgehäuse gespült. Das zu Zerlegen habe ich absolut keine Lust, aber ich fülle es einfach mal mit Petrol und schaue dann, was passiert.

Die Demontage des Kolbens sorgte dann auch noch für zwei Überraschungen. Erstens ist er aus Gusseisen und sieht aus wie neu - was er aber definitiv nicht ist, und zweitens ist das obere Pleuellager ein Nadellager. Die Erkenntnis war recht überraschend, aber glücklicherweise fiel keine Nadel ins Kurbelgehäuse. Ein interessantes Thema dürfte der Zusammenbau des offenen Nadellagers werden, ich werde mir da wohl etwas einfallen lassen müssen.

Weiteres in Kürze.

Der Postbote hat dann noch ein schönes Bauteil für den Amilcar gebracht, und zwar eine Auspuffklappe. Als ich beim Strassenverkehrsamt vorsichtig nachfragte, ob sowas heute noch abgenommen wird, musste der Experte auch erst mal einen Experten befragen. Den hörte ich dann im Hintergrund meinen Namen rufen...

Schön, wenn einem sein Ruf vorauseilt.

fröhliche Grüsse mal wieder,

Oliver

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jaj,

das mit den schraubern und fahrern hat schon so seine eigenheiten:

ein bekannter von mir, der denkt "er wäre der starmechaniker vom hiesigen verkerhrsmuseum"

wollte mit seine 1930er FN an einer ausfahr teilnehmen.

was mir sofort auffiel war ca. 4 mm luft/spiel des auslassventieles !!!!

er meinte blos:"wieso einstellen?, die läuft doch?"

er war übrigens der erste, der dann den hänger benötigte :-)

ciao

andy

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Die Einlassventile des Merak / SM- SS- Motors sind 47 mm Durchmesser- Giganten.

Und die Mühle dreht locker 7500 !

Carsten

:-)

jede schnöde kurzhuber DS/ID hat ein 49mm einlassventil!

aber oliver hats hier ja von "vorkriegsgeraffel" und net von spät-60er grosskonzerntechnik.

grüße

thomas

Bearbeitet von tomsail
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Der Postbote hat dann noch ein schönes Bauteil für den Amilcar gebracht, und zwar eine Auspuffklappe. Als ich beim Strassenverkehrsamt vorsichtig nachfragte, ob sowas heute noch abgenommen wird, musste der Experte auch erst mal einen Experten befragen.

War bei mir während der Kontrolle auch ein Thema - man hatte sich dann darauf geeinigt, dass es eigentlich zugeschweisst werden müsste! Leider kann ich nicht schweissen :-)

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