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Wie alles begann...


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Wie alles begann…

 

Es begab sich aber zu der Zeit, daß ich im Jahre des Herrn 1968 in einer ruhigen Seitenstraße der Landeshauptstadt W. in H. geboren wurde. Meine ersten Worte waren natürlich „Mama“ und „Papa“.

Laut Aussage meiner Eltern war das dritte Wort ein meist schreiend vorgetragenes „Rabääh“, ein Universalwort für „Hunger“, „Durst“, „Muß mal“ und „Bin müde“.

Nach kurzer Zeit zog die junge Familie innerhalb von W. in H. um in eine deutlich belebtere Durchgangsstraße. Dort war mein Lieblingplatz vor der bis zum Boden verglasten Balkontür, durch die ich stundenlang den Verkehr in dieser Straße beobachten konnte. Deshalb war das vierte Wort, welches ich von mir gab „Auggo“, das natürlich für „Auto“ stand. In dieser Zeit fuhr mein Vater einen luftgekühlten Boxermotor in Form eines VW Bus T2. Wenn er abends vom Geschäft heimkam und vor unserer Haustüre parkte (das war damals noch möglich) rief ich laut „gago Auggo!“, was jeder natürlich mit „großes Auto“ übersetzen konnte.

Neben der Verkehrsbeobachtung spielte ich gerne mit meinen Legosteinen, mit denen ich meist kleine Häuser mit großen Garagen für meine stets umfangreicher werdende Sammlung von Matchbox-Autos baute. Durch „Fischer-Technik“ und den Märklin Metallbaukasten erhöhte sich im Laufe der Zeit meine technische Kompetenz, die im Nachbau der Nerobergbahn gipfelte, mit der ich immer wieder mit meinem Opa gefahren bin.

Das nächste Fahrzeug meines Vaters blieb zwar praktisch, verlor jedoch den luftgekühlten Boxersound zugunsten eines wassergekühlten Reihenmotors, gewann aber eine Revolverschaltung hinzu, es war ein Renault R4 F6, also der mit dem großen Kasten hintendrauf.

Die Grundschuljahre verliefen weitgehend ereignislos, wenn man davon absieht, daß das „Rabääh“ einer etwas differenzierten Ausdrucksweise wich und eines Tages vor unserem Klassenzimmerfenster eine DS ausbrannte. Meine Klassenkameraden fanden das toll (das Wort „geil“ war noch nicht erfunden), weil endlich mal etwas passierte, ich fand es schade um das schöne Auto.

Der Wechsel an das Gymnasium brachte zunächst einen deutlich längeren Schulweg mit sich, der deshalb teilweise mit dem Bus zurückgelegt wurde (auch „Helikoptereltern“ gab es zu dieser Zeit noch nicht). Und so kam es, daß ich, nachdem ich auf dem Nachhauseweg an der Haltestelle aus dem Bus gestiegen bin, immer am Citroen-Händler „Auto-Lied“ vorbeikam, an dessen Schaufenster ich mir die Nase plattdrückte. Da war an der Rückwand ein riesiges Bild von Paris mit Eiffelturm und Traction Avant, und im Ausstellungsraum standen Enten, GS, und CX, die bald mein Interesse weckten. Diese Autos waren so ganz anders als der Opel Kadett Caravan, den mein Vater jetzt fuhr (weder luftgekühlt, noch Boxer und auch keine Revolverschaltung mehr), aber immer noch praktisch.

Und so faßte sich Klein-Martin im zarten Alter von 12 Jahren eines Tages ein Herz, ging in den Verkaufsraum und bat den netten Herrn, den er dort antraf, um einen Autoprospekt. Dieser nette Herr hat sofort meine Absicht, ein Auto zu kaufen, bemerkt und gab mir das ganze Programm: Ente, Visa, GSA, CX und auch eine Preisliste (diese ist mittlerweile verschollen, die Prospekte habe ich aber immer noch). Mit stolzgeschwellter Brust verließ ich die heiligen Hallen, lief nach Hause, und statt der Hausaufgaben war jetzt erst einmal ausführliches Prospektstudium angesagt.

Mit dem Enten-Prospekt fing ich an. Neben den schönen Bildern und der technischen Erläuterung stand dort der folgenschwere Satz: „Es gibt Dinge im Leben, die vergißt man nie: den ersten Kuß zum Beispiel, oder die erste Fahrt mit einer Ente.“ Wow, dachte ich, dann muß „Entefahren“ ja wirklich etwas ganz Besonderes sein, zumal der mittlerweile von meinem Vater angeschaffte Opel Astra Caravan nur ein ganz gewöhnliches, aber immer noch praktisches Auto war.

Die Zeit verging, ich sammelte weiter Autoprospekte von allen möglichen Automarken, aber in keinem habe ich je wieder einen so tollen Satz gelesen.

Kurz vor dem Abitur machte ich dann den Führerschein (auf einem ganz banalen Diesel-Golf II), und trat danach zum damals noch obligaten Wehrdienst in die olivgrüne Firma ein. Nach der Grundausbildung im Westerwald ging es dann nach Lorch am Rhein. Dort war es meine Aufgabe, kranke Soldaten, die nicht von unserem Stabsarzt behandelt werden konnten, in’s Bundeswehrkrankenhaus nach Koblenz zu kutschieren. Da ich zu dieser Zeit immer noch kein eigenes Auto hatte, war das eine gute Gelegenheit, Fahrpraxis zu bekommen. Der mir für diese Tätigkeit zur Verfügung gestellte VW-Bus T3 hatte einen asthmatischen 50-PS-Motor und ein ausgelutschtes Getriebe, bei dem man im Kreis schalten konnte – irgendwann ging ein Gang rein und den mußte man dann nehmen, auch wenn es zum Anfahren der Dritte war.

In dieser Zeit hörte ich, daß demnächst die Produktion der Ente eingestellt werden sollte. Das war ein großer Schock für mich, und deshalb machte ich mich auf zum Auto-Lied und bestellte bei dem netten Herrn (es war immer noch derselbe) eine Ente in weiß. Um sie bezahlen zu können, machte ich bei der Bundeswehr ganz viele der bei den anderen Soldaten sehr unbeliebten Wochenenddienste, und so konnte ich kurz nach dem Wehrdienst meine nigelnagelneue Ente entgegen nehmen. Und wieder verließ ich mit stolzgeschwellter Brust die heiligen Hallen. Zu den 9.990 DM (der €uro war noch nicht erfunden) kam noch 10 DM für die Sonderausstattung „Fensteraussteller“ hinzu. Für’s Tanken, Steuer & Versicherung konnte ich meiner Oma auch noch „Geld aus der Brust leiern“, zu einer Hohlraumkonservierung samt Unterbodenschutz hat es leider nicht mehr gereicht.

Endlich im eigenen Auto mobil und dann noch in seinem Traumauto, der Ente, das war in der Tat ein Ding im Leben, das man nicht vergißt. Der Entenbazillus hatte mich voll infiziert.

An viele Fahrten kann ich mich noch erinnern:

Zu einem Kommilitonen nach Aachen, im Winter nach Bad Schwalbach zu meiner Schwester, deren „British Elend“ deutlich weniger zuverlässig war („Ich komme nach Hause, wenn mein Auto anspringt.“, was es meistens nicht tat), nach Öhringen zu einem Freund (dort hatte ich die erste und einzige Reifenpanne in meinem Leben), mit einem Klassenkameraden nach Mecklenburg-Vorpommern in den Urlaub, in den verschneiten Taunus zu einem Studienkollegen (dort war ich mit meinen Winterreifen der King/le Roi und zog an manch hochtechnisierten „modernen“ Auto vorbei) und leider auch an die letzte Fahrt nach Grebenhain im Vogelsberg zu einem Lehrgang der Fa. Robbe. Auf dem Rückweg ist mir ein Passat hinten rechts in die Ente gefahren und das Hinterrad stand quer zur Fahrtrichtung. Außer dem Schreck und dem immer noch anhaltenden Schmerz über den Verlust meiner Ente ist mir aber nichts passiert. Das Auto jedoch hatte es hinter sich… :-(

Danach kamen (der Fahrkomfort wurde immer schlechter, das Fahrvergnügen nahm immer mehr ab):

- ein Citroen AX, dessen 50 Diesel-PS mit der nur 750 kg schweren Fuhre für ungewohnte Beschleunigung sorgten und seeehr sparsam war,

- eine Mercedes Diesel-A-Klasse, die dank Lamellendach wenigstens im Sommer so ein ganz klein wenig Entenfeeling aufkommen ließ,

- eine Mercedes Diesel-B-Klasse, sicherlich ein gutes Auto aber ohne jegliche Emotion.

 

Jetzt soll wieder eine Ente her. Meine bessere Hälfte hat mir nämlich zu meinem Geburtstag ein Wochenende Ente fahren geschenkt, und so ist der Entenbazillus wieder virulent geworden.

Wenn also einer einen weiß, der einen kennt, der eine – möglichst weiße – gut gepflegte Ente zu verkaufen hätte, ich würde mich nicht direkt wehren…

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Hallo Martin, schön von Kindheitserinnerungen aus WI zu lesen. Ich bin zwar erst im zarten Alter von zehn hingezogen, dann aber über 30 Jahre mit kurzen Unterbrechungen dort geblieben.

Wegen einer Ente wende Dich doch an Stefan Rosenstock in Wackernheim (Autoklinik Rosenstock). Auch ein gebürtiger Wiesbadener...

Grüße Torsten

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Hallo  2cvblanc

ich hätte eine Dolly und würde sie verkaufen , Standort ist Mainz und somit nur ein Katzensprung von Wiesbaden aus mein Bekannter hat eine in Beige zu verkaufen 

aber wenn die Präferenz weiß ist dann wäre die Dolly wohl die bessere Wahl

 

Grüße aus Mainz 

 

Bearbeitet von Mendosino2000
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Danke, Martin, für diese köstliche Vorstellung! 

Ich darf aber meine Ente, auch weiß, auch 1990 kurz vor Produktionseinstellung gekauft, aber noch immer mein eigen nennen 🙂 und das bleibt so. Von daher kann ich dir damit nicht dienen. Wünsche dir aber viel Erfolg bei der Entenjagd!

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Meine erste Ente – und mein erstes Auto – war eine 1977er 2CV6. Gelb.

Es begab sich zu der Zeit 1986 – eine Freundin von mir – Carmen – kommt in die Kneipe, deutlich angefressen: »will einer mein Scheiß-Auto kaufen? 50 Mark!« Ich: was ist den das? Sie: Ne Ente, hat aber einen Getriebeschaden. Ich: Nehme ich!

Ich hatte also eine neun Jahre alte 2CV6 für 50 D-Mark gekauft. 

Ich hatte zu der Zeit eine Honda CB 200, bei der ich einen Motorschaden behoben hatte, sowie eine Honda XL 250 mit einem 350er Zylinder. Die »Ente« war also mein erstes Auto.

Ich hab mich umgehört nach einem Getriebe und für einen Kasten Bier eins bekommen. Ohne zu wissen, dass es ja diverse verschiedene gibt. 

Carmen und ich hatten schon gemeinsam an unseren Motorrädern geschraubt … sie hatte eine MZ 250 mit einem wunderschönen Horex-Tank.

Zum Glück hatte ihr Vater eine Maschinenbau-Firma und da wir beide voll Tatendrang waren, konnten wir den Portalkran nutzen und Motor/Getriebe rausheben. Von den großen Brüdern wusste sie viele Dinge, auch das mit Kotflügel abschrauben etc. … 

Neues Getriebe drangesetzt, alles wieder eingebaut (das Getriebe war zum Glück ein zum Motor passendes).  

Die Probefahrt auf dem Firmengelände fing gut an – Kuppeln, Gänge einlegen, losfahren … alles wunderbar. Das Anhalten war dann der Überraschungsmoment … die Karre bremste nicht. Paar mal getreten – ok, bremst doch. Naja, geht irgendwie.

Glücksbeseelt in der lauen Sommernacht mit offenem Dach nach Hause gefahren; vor jeder Kreuzung erst mal die Bremse ein paar mal getreten. Bremsen ging, aber in Wuppertal sollte man wissen, was man da macht. Wir wussten es nicht. Grad so gutgegangen … dann Feierabendbier getrunken.

Ich hab dann eine Reparaturanleitung besorgt und das Kapitel mit dem Bremsen-Entlüften gelesen. Das war so ein erhebender Moment … Bremsen entlüftet – losgefahren – looft! Willkommen in der 2CV-Schraubergemeinschaft.

Noch während Zivildienst und Studium kam eine 1972er 2CV6 (bestes Fahrwerk … hatte noch Komponenten aus der 16PS-Zeit), dann abgelöst durch eine 66er und eine 63er. Die waren die allerbesten.

Dann ein Renault 16, den ich als Tutor von einem Prof für ein paar Mark kaufen konnte. Ein Volvo 244 … immer noch Student … die Autos gab es damals für einen Appel und ein Ei.

Dann 1991 mit dem Volvo zum Postgraduierten-Studium nach Berlin. Den ersten CX gekauft, ein 84er Prestige, auch nur für ein paar Mark … und so weiter … dann eine DS.

Auch mal wieder als Zweitwagen eine 85er-2CV gebraucht günstig gekauft. Und an Katharina Thalbach weiterverkauft. Sie hat die Ente leider etwas verlottern lassen …  dafür hab ich ihr zur Strafe noch den alten Klack-Blinkerschalter, den ich aus einer alten 2CV hatte und in diese eingebaut hatte, aus der Ente geklaut … ich wusste ja, wie man die ohne Schlüssel öffnet.

Falls also jemand eine 66er oder 63er 2CV anzubieten hat … eventuell im Tausch gegen einen 84er CX Pallas … (nur so eine Idee, bitte nicht zu ernst nehmen. … obwohl … aaahhhhh – nein!)

Bearbeitet von holger s
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Hallo holger s!

Auch sehr schön geschreiben, bei so vielen verschiedenen und interessanten Autos kann man fast ein bischen neidisch werden. Als Modellbauer schraube ich gerne im "Kleinformat" (so eine M6- oder M8-Schraube ist für mich schon groß), habe mich aber in der Tat noch nie an 1:1-Modelle herangetraut. Deshalb war ich mit meinen Fahrzeugen bisher immer für Service- und Reparaturarbeiten in der Werkstatt. Nun ist die Technik einer Ente zwar teilweise speziell, aber doch nicht so kompliziert, wie an manch anderen Fahrzeugen. Vielleicht sollte ich mich dann, wenn ich eine habe, doch einmal daran trauen. Die "Entenhandbücher" von Clemens Losch sowie "Jetzt helfe ich mir selbst" habe ich bereits. Sicherheitsrelevante Dinge wie Bremsen, Lenkung u. ä. werde ich auf keinen Fall selbst machen.

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vor 3 Stunden schrieb 2cvblanc:

Sicherheitsrelevante Dinge wie Bremsen, Lenkung u. ä. werde ich auf keinen Fall selbst machen.

Für den Anfang sicher eine gute Entscheidung - aber warum kategorisch und ohne "Verfallsdatum" ausschließen? Gerade die Bücher von Clemens sind alles andere als ein "mach das ja niemals selbst"-Appell.

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Ich bin auch in W. In H. geboren und aufgewachsen, ein Jahr später.

Mit einer 75er AK 400 fing 1994 die Doppelwinkel-Sammelei an - ausgeliefert wurde die AK bei Auto Lied in der Mainzer Straße. Heute kann man auf dem Gelände Burger kaufen 🤪

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vor 14 Stunden schrieb Thomas Hirtes:

Ich bin auch in W. In H. geboren und aufgewachsen, ein Jahr später.

Mit einer 75er AK 400 fing 1994 die Doppelwinkel-Sammelei an - ausgeliefert wurde die AK bei Auto Lied in der Mainzer Straße. Heute kann man auf dem Gelände Burger kaufen 🤪

Sic transit gloria mundi...

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